Bitterstoffe in Lebensmitteln: gesund und vielfältig
Wenn es um Bitterstoffe geht, gehen die Meinungen stark auseinander; Die einen lieben Artischocken, Endiviensalat, Grapefruits und Zartbitterschokolade und genießen Kräuterschnaps oder ein kühles Feierabendbier. Die anderen verziehen schon beim Gedanken an bittere Lebensmittel ihr Gesicht. Doch eins ist klar: Bitterstoffe sind gesund. Welche Wirkung Bitterstoffe haben und in welchen Lebensmitteln sie enthalten sind, lesen Sie hier.
In diesem Artikel:
Was sind Bitterstoffe?
Genetisch bedingt werden Bitterstoffe oft als sehr unangenehm empfunden. Das hat(te) einen guten Grund: Bitterer Geschmack warnte schon unsere Vorfahren in der Steinzeit vor Giftstoffen, mit denen sich Pflanzen vor Fressfeinden schützen. Denn wenn einer der 25 verschiedenen Rezeptorentypen im hinteren Bereich der Zunge aktiviert wird (die auf die rund 1000 bekannten Bittersubstanzen reagieren) beginnen die Verdauungssäfte zu fließen. Diese Reaktion auf die Bitterstoffe sorgt dafür, dass die Nahrung vom Körper beschleunigt verarbeitet wird.
Und genau diesen Effekt können man nun für sich nutzen: indem man Bitterstoffe kurz vor oder zu Beginn einer Mahlzeit zu sich nimmt. Auch ein Kräuterschnaps oder ein Kaffee nach dem Essen regen die Produktion der Verdauungssäfte an. Dabei sollte man jedoch auf zu viel Zucker im Espresso verzichten; Bitteres muss geschmeckt werden, um die Verdauungsprozesse in Gang zu setzen.
In den letzten Jahrzehnten sind die Bitterstoffe aus Obst- und Gemüsesorten jedoch herausgezüchtet worden. Wenn wir heutzutage Auberginen oder Rosenkohl essen, bemerken wir nur noch einen Hauch des bitteren Geschmacks. Selbst Radicchio ist längst nicht mehr so bitter, wie er einmal war. Biologisch angebaute Lebensmittel enthalten oft noch mehr Bitterstoffe. Sie schmecken intensiver und schulen unseren Geschmackssinn neu.
Gut zu wissen: mit dem Alter kommt man auf den Geschmack von Bitterstoffen
Die Abneigung gegen Bitterstoffe legt sich mit der Zeit, zudem nimmt die Zahl der Bitterrezeptoren mit steigendem Alter ab. Was man als Kind verabscheut hat, findet man oft als Erwachsener auf einmal lecker.
Welche Wirkung haben Bitterstoffe?
Die ausgesprochen positive Wirkung der bitteren Pflanzenstoffe auf die Verdauung ist schon länger bekannt. Schon beim Kauen regt der bittere Geschmack die Speichelproduktion an, stimuliert die Ausschüttung von Gallen- und Pankreassaft und reguliert den Säuregehalt im Magen. Die Verdauung von Fetten, Kohlehydraten und Eiweißen verbessert sich ebenso wie die Säure-Basen-Balance des Körpers. Kein Wunder also, dass gerade sehr viele wirksame Heilpflanzen bitter schmecken. Die Verdauungssäfte regen den Körper somit auf die bevorstehende Mahlzeit vor.
Viele Antipasti, die als Vorspeisen gereicht werden, haben deshalb eine Bitternote. Auch Aperitifs (zum Beispiel Aperol), die vor dem Essen getrunken werden, sind meist recht herb. Die darin enthaltenen Bittersubstanzen fördern den Appetit und schützen gleichzeitig vor dem „Überessen“, da sie den Insulinspiegel niedrig halten und auf diese Weise schneller ein Sättigungsgefühl hervorrufen. Bekannt ist mittlerweile auch, dass Bitterstoffe das Immunsystem aktivieren und das Nervensystem stabilisieren. Zudem beeinflussen sie den Stoffwechsel. Die körpereigene Entgiftung wird angeregt und das Bindegewebe entschlackt. All dies bewirkt, dass sich die Körperzellen besser regenerieren und sich ein verjüngender Effekt einstellt.
Die Wirkung von Bitterstoffen im Überblick:
- die Produktion von Speichel und Verdauungssäften wird angeregt
- regulieren den Säuregehalt im Magen
- fördern den Appetit, schützen aber vor "Überessen"
- halten den Insulinspiegel niedrig
- fördern das Sättigungsgefühl
- aktivieren das Immunsystem
- stabilisieren das Nervensystem
- die körpereigene Entgiftung wird angeregt
- das Bindegewebe wird entschlackt
Wo sind Bitterstoffe enthalten?
„Wer bei ‚bitter‘ nur an Radicchio und Bitterschokolade denkt, wird sich wundern. Denn Bitteres steckt, ganz ohne sich aufzudrängen, in unzähligen Zutaten“
- Köchin und Foodfotografin Manuela Rüther, aus ihrem Rezeptebuch „Bitter – Der vergessene Geschmack“
In welchen Lebensmitteln sind Bitterstoffe? Bittere Gemüse, Wildpflanzen und Früchte, Gartensalate, Olivenöle und Sprossen, die sie aus Getreide- und Samenkörnern selbst ziehen können, sind eher dezent bitter. Rettiche, Kohlgewächse oder auch Artischocken schmecken hingegen unverkennbar scharf-bitter bis aromatisch-bitter. Puren Bittergeschmack entfalten Pflanzen aus der Familie der Zichoriengewächse wie Chicorée, Radicchio und Endivie sowie Wildkräuter, viele Gewürze und Zitrusfrüchte. Mit den folgenden Tipps von Manuela Rüther kommen Sie in den vollen Genuss der gesunden Bitterstoffe.
Bitterstoffe in Gemüse
- Bei Blattsalaten stecken die Bitterstoffe vor allem im Strunk und in den dickeren Blattrippen. Sie sollten möglichst mitgegessen werden. Das gilt auch für die roten Blätter des Radicchio, der nicht nur roh, sondern auch gegrillt oder geschmort sein Aroma entfaltet.
- Auch „ausgewachsene“ Kreuzblütengewächse stecken voll gesunder Bitterstoffe, den Senfölglykosiden, die allerdings recht flüchtig sind. Schneiden und salzen Sie Radieschen und Rettiche deshalb kurz vor dem Verzehr. Auch Kochen und Trocknen reduziert die Bitterkeit. Der als sehr gesund geltende junge Grünkohl wirkt deshalb am besten in Smoothies und als Rohkost.
- Artischocken schmecken je nach Sorte fein-herb bis aromatisch-bitter. Die meisten Bitterstoffe stecken in den äußeren Blättern, die nicht mitgegessen werden. Sie können Sie aber trocknen und als Tee aufgießen.
Bitterstoffe in Früchten und Wildpflanzen
- Einige Zitrusfrüchte schmecken erfrischend bittersüß, so die Bitterorange (Pomeranze) oder die Zitronatzitrone (Cedra), die nicht nur kandiert wird, sondern in dünne Scheiben geschnitten auch Salaten das gewisse bittere Etwas verleiht. Grapefruits und Pampelmusen haben ebenfalls bittere Noten, vor allem, wenn sie aus Biolandwirtschaft stammen, da dort – wie übrigens bei fast allen Gemüsen – meist weniger hochgezüchtete Sorten angebaut werden, die noch reichlich Bitterstoffe liefern.
- Wildpflanzen wie Löwenzahn, Gänseblümchen, Gundelrebe und Brennnessel sind bitterstoff- und vitaminreich. Fernab von Straßen und Hundespazierwegen gepflückt, lassen sie sich bestens mit fettigen, süßen und salzigen Komponenten kombinieren.
Bitterstoffe in Ölen, Sprossen und Kakao
- Olivenöl liefert sehr subtile Bitternoten, die in einem gut abgeschmeckten Salatdressing leckere Akzente setzen. Besonders intensiv ist grünes Olivenöl, das grasig-herb und deutlich bitter schmeckt.
- Frisch gekeimte Sprossen aus Samenkörnern bereichern Salate, Vorspeisen und Suppen. Würzig-scharf und leicht bitter sind Keimlinge aus Kreuzblütlern wie Brokkoli, Kohlrabi, Rettich, Rucola und Senf.
- Aus bitteren Kakaobohnen wird durch den Zusatz von Zucker und Kakaobutter Schokolade. Gesundheitsfördernde Effekte haben hochwertige dunkle Schokoladen mit mindestens 70 Prozent Kakaoanteil.
Bitterstoffe in Gewürzen
Ob heimische Würzkräuter wie Thymian, Majoran, Salbei, Oregano, Minze, Rosmarin, Liebstöckel und Kümmel oder exotische Gewürze wie Galgant, Ingwer, Kardamom, Koriander, Zimt und Gewürznelken – alle enthalten gesunde Bitterstoffe, mit denen Sie beim Kochen gezielt bittere Akzente setzen können. Geben Sie frische Kräuter am besten erst am Ende der Garzeit zu den Speisen, da die meisten der wohltuenden bitteren Inhaltsstoffe durch langes Kochen zerstört werden.
Bitterstoffe in Getränken
Auch in Getränken sind bittere Noten ausgesprochen beliebt. „Kaffee und Tee, Bier und Bitterspirituosen sind in vielen Kulturen tief verwurzelt. Das Bittere ist dabei kein Störfaktor, sondern gibt diesen Getränken erst ihre charakteristische Note“, erklärt Marlene Rüther.
- Anregender Kaffee ist für viele aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Je dunkler die Kaffeebohnen geröstet sind und je heißer das Wasser ist, mit dem das Getränk zubereitet wird, desto bitterer wird der Kaffee.
- Auch bei Grüntee beeinflusst die Zubereitung den Grad der Bitterkeit: Bei Wassertemperaturen über 80 Grad werden so viele bittere Gerbstoffe aus den Blättern gelöst, dass der Geschmack darunter leiden kann.
- Bier bekommt seine Bitternote durch Hopfen. Er verleiht Bier unabhängig vom Alkoholgehalt sein typisches, je nach Sorte mehr oder weniger bitteres Aroma.
Bittere Spirituosen haben als Kräuterliköre, die vor oder nach dem Essen die Verdauung anregen, eine lange Tradition. Das gilt auch für das Trendgetränk Aperol: ein italienischer Aperitif, bei dem roter Kräuterlikör mit der doppelten Menge Sekt und Mineralwasser oder Weinschorle aufgegossen wird.
Zusammenfassung
In diesen Gemüsesorten sind Bitterstoffe enthalten:
- Blattsalate wie Radicchio, Chicorée, Endivien, Spinat und Rucola
- Kreuzblütengewächse wie Rosenkohl, Grünkohl, Rettich und Radieschen
- Artischocken
In diesen Früchten und Wildpflanzen sind Bitterstoffe enthalten:
- Bitterorange, Pampelmusen und Grapefruits
- Zitronatzitrone
- Löwenzahn, Gänseblümchen, Gundelrebe und Brennnessel
In diesen Ölen, Sprossen und Kakao sind Bitterstoffe enthalten:
- Olivenöl (vor allem grünes)
- Sprossen aus Körnern von aus Brokkoli, Kohlrabi, Rettich, Rucola und Senf
- dunkle Schokolade mit mindestens 70% Kakaoanteil
In diesen Gewürzen sind Bitterstoffe enthalten:
- Thymian, Majoran, Salbei, Oregano, Minze, Rosmarin, Liebstöckel und Kümmel
- Galgant, Ingwer, Kardamom, Koriander, Zimt und Gewürznelken
In diesen Getränken sind Bitterstoffe enthalten:
- Kaffee
- Grüntee
- Bier
- Kräuterliköre
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Beiträge zum Thema Bitterstoffe finden Sie in Ausgabe 06/2021 und Ausgabe 5/2019 von natürlich gesund und munter.
Text: Georgia van Uffelen
Titelbild: CC0 / Mike Kenneally / Unsplash