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Holunder – Mystik, Medizin & Magie

Foto: Manfred Richter / Pixabay

Als natürlicher Medizinschrank der Einödbauern und hochverehrter „Zauberbaum“ unserer Vorfahren bekannt, erlebt der Schwarze Holunder in jüngster Zeit eine Renaissance. Aus den Blüten und Beeren des geheimnisumwitterten Strauchs entsteht auch heute wieder heilkräftige Pflanzenmedizin.

Vor dem Holunder zieh den Hut herunter“, lautet ein Spruch aus den Allgäuer Alpen, wo sich die alten Bauern bis heute mit Ehrfurcht vor dem „Gottesbusch“ Holunder verneigen. Der Spruch belegt den Respekt, den sie diesem in ihren Augen magisch beseelten Strauch entgegenbringen. Einst war er für die Hausapotheke der Einödbauern unentbehrlich und genoss besondere Wertschätzung, weil Bewohner abgelegener Gegenden aus der verbreiteten Pflanze wirksame Heilmittel gegen eine Vielzahl von Krankheiten einfach herstellen konnten. Deshalb wurde der Holunder ehedem auch als „Herrgottsapotheke“ bezeichnet.

In der Erntezeit im Herbst ist der Strauch mit seinen charakteristisch überhängenden Zweigen reich behängt mit schwarz-violetten Beeren. Im Frühsommer liegt der betörend süßliche Duft der Blüten überall in der Luft. An den hellen, schirmförmigen Dolden und seinem eigenartig aromatischen Geruch ist er dann leicht zu erkennen. Am liebsten wächst der Schwarze Holunder (Sambucus nigra) im Schutze alter Scheunen und nahe bei Häusern und Höfen. Man könnte fast glauben, der Holunder suche die Nähe des Menschen: „Pflanzen kommen dahin, wo der Mensch ihre Wirkungen braucht“, besagt schon eine alte Erkenntnis der Klostergärtnerei.

Die Altvorderen verwendeten für ihre Arzneien außer den Blüten und Früchten auch die Rinde, die Wurzeln und das Holz. In mittelalterlichen Kräuter­büchern wird der „Holler“ als Universalmedizin gelobt. In manchen Alpentälern und in Teilen Norddeutschlands nennt man den Holunder bis heute auch Flieder – ein „Geister­name“, um den Namen der verehrten Pflanze nicht aussprechen zu müssen.

 

Was der Holunder mit Frau Holle zu tun hat
Holunder war aber nicht nur elementar für die Bauernapotheke, er wurde auch als Lebensbaum und eine Art Tor zur Anderswelt angesehen. Wegen der vielen Legenden um den Holunder  war es praktisch unmöglich, ihn abzuholzen. Damit lässt sich das häufige Vorkommen des Hollerbuschs bei älteren Gebäuden erklären. Dass dem Holunderstrauch bei unseren Vorfahren außer der volksmedizinischen auch eine stark mystische und magische Bedeutung zukam, wissen heute die wenigsten. Das Wort Holunder stammt von dem althochdeutschen Wort Holuntar ab (holun = hohl, heilig, günstig, gnädig; tar = Baum oder Strauch). Der „Holler“ wurde nämlich als Sitz der Götter betrachtet. Schon den alten Germanen war es deshalb verboten, ihn zu fällen. Sie glaubten, dass die helfende Muttergöttin Holla (germanisch Hel), die den Holunderbusch bewohnte, ihm große Heilkraft verliehen hatte. Sie galt als Herrin über Leben und Tod, nahm die Seelen der verstorbenen Lebewesen mit in ihr unterirdisches Reich und entließ sie auch wieder in den Zyklus der überirdischen Welt. Die beiden Seiten der Göttin spiegeln sich in der Zweideutigkeit des Holunders wider: Er ist heilend, aber auch giftig, er blüht leuchtend weiß und bekommt schwarze Beeren. Somit war Holunder der Baum des Lebens, des Todes und der Wiedergeburt und bei unseren frühen Vorfahren fest mit dem Totenkult verbunden.

Die Göttin Holla erscheint uns auch im Märchen von Frau Holle, bei dem wir nachempfinden können, welche Aufgaben die Verstorbenen erfüllen mussten, bevor sie auf die Erde zurückkehren durften. Man war auch davon überzeugt, dass Seelen, die wiedergeboren werden wollten, unter dem Holunderbusch warten, um zu den Gebärenden gebracht zu werden. Dies wird im Kinderlied besungen: „Ringel, Ringel, Reihe, sind der Kinder dreie. Sitzen unterm Holderbusch, machen alle husch, husch, husch.“

 

Den vollständigen Beitrag finden Sie in Ausgabe 5/2021

Weitere Aspekte in diesem Beitrag:

  • Homöopathische Anwendung
  • Hochwirksame Inhaltsstoffe zur Immunstärkung
  • Blüten und Beeren sammeln
  • Der „Medizinschrank“ des Hippokrates


Text: Monika Hopfensitz
Foto: Manfred Richter / Pixabay