Kopfschmerz und Migräne
Im Kopf pocht und drückt es. Dumpfe Schmerzen ziehen sich vom Nacken bis in die Stirn. Es sticht unerträglich hinter einem Auge. Kopfweh kann uns in vielen Formen plagen. Der Blick auf den ganzen Menschen hilft, mögliche Ursachen zu identifizieren und den Schmerz so zielgerichtet wie schonend zu behandeln.
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Fachleute unterscheiden mehr als 200 Arten von Kopfschmerz. Hierzulande sind es gut 70 Prozent der Bevölkerung, mehr als 54 Millionen Menschen, bei denen es zumindest gelegentlich im Kopf pocht, drückt oder hämmert. Mal sind die Schmerzen Begleitsymptom einer Erkältung oder einer Coronainfektion, mal brummt der Kopf nach zu viel Alkohol. Zum Glück sind die Kopfschmerzen selten ein Hinweis auf ein schwerwiegendes gesundheitliches Problem wie eine Hirnhautentzündung oder einen Tumor. In neun von zehn Fällen sind die Kopfschmerzen eigenständige Erkrankungen, die das Leben der Betroffenen mitunter stark beeinträchtigen. Die Karlsruher Ärztin Dr. Isabel Bloss stellt drei ihrer Patienten und damit die wichtigsten Schmerzarten vor: den verbreiteten Spannungskopfschmerz, die komplexe Migräne und den nahezu unerträglichen Cluster-Kopfschmerz.
Fallbeispiel 1: Migräne
Ein großgewachsener junger Mann wollte wissen, ob es Mittel gibt, um Dauer, Häufigkeit und Stärke seiner Migräneanfälle zu reduzieren. Er leide schon seit Jahren unter Attacken, die mitunter tagelang anhielten und ihn regelrecht ausknockten. Dann helfe ihm nur, sich im dunklen Zimmer hinzulegen, Ibuprofen einzunehmen, zu schlafen und zu warten, bis die massiven Schmerzen und die starke Übelkeit vorbei seien. Vor allem Wetterwechsel machten ihm zu schaffen.
Mein Verdacht: Eine Neurologin diagnostizierte bei dem heute 20-Jährigen bereits vor vier Jahren eine Migräne. Sie hatte damals auch die Vermutung geäußert, dass die Attacken bereits im Grundschulalter begonnen haben könnten – damals aber nicht als „klassische Migräne“ mit starken Kopfschmerzen, sondern in Form einer „Bauchmigräne“. Das ist eine vor allem bei Kindern verbreitete Migränevariante, bei der Kopfschmerzen keine oder eine eher untergeordnete Rolle spielen. Sie äußert sich vor allem mit Symptomen wie Übelkeit, Erbrechen und Schwindel.
Bei dem inzwischen erwachsenen jungen Mann hatte man seinerzeit keine Ursachen für diese Beschwerden identifizieren können, die unregelmäßig alle paar Wochen auftraten. An eine Migräne dachten die Ärzte erst, als in der Pubertät die Kopfschmerzen dazukamen. Sehprobleme als mögliche Kopfschmerzursache hatte ein Augenarzt bereits ausgeschlossen. Auch die Labordiagnostik – ich ließ die B-Vitamine, Schilddrüsenwerte, Elektrolyte und den Eisenspiegel im Blut bestimmen – war unauffällig. Bei der Anamnese erkundigte ich mich nach weiteren gesundheitlichen Problemen. Er war häufig müde und erschöpft und reagierte allergisch auf Gräser, Birken und Frühblüher. Seine Verdauung schwankte zwischen Verstopfung und Durchfällen, vor allem, wenn er Milch oder viel Fruchtsaft getrunken hatte. Zudem erfuhr ich, dass er ein Frühchen war und von der Mutter nicht gestillt werden konnte.
Migräne ist ein multifaktorielles Geschehen, und es ist noch längst nicht genau erforscht, was dabei im Gehirn passiert (siehe Kasten Seite 54). Es gibt aber die Theorie, dass das Darmmikrobiom über die Darm-Hirn-Achse an der Entstehung von Migräne beteiligt ist. Forscher vermuten nämlich, dass der Stoffwechsel der Bakterienbesiedelung im Verdauungstrakt die Balance von Hirnbotenstoffen wie Serotonin, Dopamin und Noradrenalin stören könnte.
Vor allem das Serotonin spielt neue-sten Studien zufolge bei Migräne eine Rolle. Messungen belegen, dass zu Beginn einer Migräneattacke der Serotoninspiegel immer sehr niedrig ist. Auch bei dem sensiblen jungen Mann spricht viel für diese These: Er kam mit einem Kaiserschnitt zur Welt, was sich sicherlich negativ auf die Zusammensetzung seiner Darmflora ausgewirkt hat. Dies ist möglicherweise nicht nur die Ursache seiner Darmprobleme, seiner Nahrungsmittelsensibilitäten und seines Heuschnupfens, sondern steckt auch hinter seiner Migräne. Denn Darmflorastörungen in der Kindheit verstärken nachweislich die Tendenz zu einem Serotoninmangel im Erwachsenenalter.
Mein Behandlungsansatz: eine konsequente mikrobiologische Therapie, ergänzt um eine konstitutionelle Therapie mit anthroposophischen Arzneimitteln. Dazu in der Praxis bewährte Tipps für den Akutfall.
Lesen Sie den vollständigen Beitrag in Ausgabe 5/2022 von natürlich gesund und munter.
Foto: Andrea Piacquadio / pexels