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Lebendiger Boden

Beim Besuch im Heilpflanzengarten der Firma Weleda wird es deutlich: Nur in einem gesunden Boden wachsen gesunde Pflanzen. Und ohne gesunde Pflanzen kein gesunder Mensch. Die systematische Pflege des Ökosystems in der Erde ist die Voraussetzung dafür.

Der Heilpflanzengarten der Firma Weleda bei Schwäbisch Gmünd ist ein regelrechtes kleines Paradies. Überall auf dem weitläufigen Gelände grünt und blüht es in den vielfältigsten Formen und Farben, Wildbienen fliegen von Blüte zu Blüte, schillernde Eidechsen sonnen sich auf den Steinen, Enten schwimmen in einem der kleinen Teiche. „Hier, im insgesamt über 20 Hektar großen Heilpflanzengarten, bauen wir rund 200 Heilpflanzen an“, erklärt Dr. Astrid Sprenger, die seit zwei Jahren den Garten des Herstellers anthroposophischer Arzneimittel und hochwertiger Naturkosmetik leitet. „Rund 95 Prozent der frischen Blüten, Blätter oder auch Wurzeln, die wir für unsere Arzneien benötigen, stammen von diesem Gelände“, sagt die Biologin stolz. Sie werden sorgsam von Hand geerntet und anschließend direkt vor Ort zu jenen Extrakten weiterverarbeitet, die später in den Arzneien ihre Heilkraft entfalten. Bereits beim Anbau der Heilpflanzen setzt man auf allerhöchste Qualität.

Biologisch-dynamische Landwirtschaft

Als Weleda 1921 gegründet wurde, war von Anfang an klar: Gewirtschaftet wird im Einklang mit Mensch und Natur. Der Anbau geschieht im Weleda Garten deshalb nach den Prinzipien der biologisch-dynamischen Landwirtschaft. Dies ist eine ganzheitliche und lebendige Kreislaufwirtschaft mit einem weitgehend geschlossenen Betriebskreislauf, der so wenig wie möglich auf die Zufuhr von Sub­stanzen außerhalb der Anlage angewiesen ist und ohne chemische Dünger und Pestizide auskommt. Der Garten mit seinen Pflanzen, dem Boden und den unzähligen Lebewesen, die ihn bevölkern, wird als ein Organismus verstanden, der nur gedeiht, wenn sich alles darin in einem gesunden Gleichgewicht befindet.

Dieses Gleichgewicht zu hegen und zu pflegen ist die Aufgabe von Dr. Sprenger und ihrem Team. Dafür unterstützen sie aktiv die Biodiversität, also eine möglichst große Artenfülle im Garten. „Neben den Heilpflanzen, die wir zur Ernte anbauen, gibt es hier auch mehr als 800 weitere Pflanzenarten, die nicht nur verschiedensten Insekten Schutz und Nahrung bieten. Wir verbessern damit auch die Qualität des Bodens“, erläutert die in Agrarwissenschaften promovierte Biologin. „Das ist die Grundlage unserer Gesundheit: Denn ohne gesunden Boden keine gesunden Pflanzen – und ohne gesunde Pflanzen keine gesunden Menschen.“  

Der Boden als Ausgangspunkt

Warum das so ist, erklärt Dr. Sprenger: „In einer Handvoll Boden existieren mehr Lebewesen als Menschen auf der Erde.“ In einem gesunden Boden leben in 0,3 Kubikmetern Erdreich – also in nur 30 Zentimeter  Erde unter einem Quadratmeter Bodenfläche – unter anderem etwa 2,5 Billionen Mikroorganismen wie Bakterien, Pilze und Algen sowie rund eine Million Fadenwürmer, 100 000 Milben und 50 000 Springschwänze. Dazu kommen Käferlarven, Regenwürmer, Schnecken, Spinnen und Asseln. Sie ernähren sich vom Humus und sorgen gemeinsam dafür, dass die Erde gut und fruchtbar ist. „Beim Rundgang durch den Garten ist Ihnen sicherlich aufgefallen, dass der Boden überall bewachsen ist – sieht man einmal von den Feldern ab, die gerade für das Ausbringen neuer Pflanzen vorbereitet werden“, erklärt Dr. Sprenger weiter. Das ist der naturgemäße Zustand, denn in der Natur ist der Erdboden immer bewachsen. Auch im Weleda Heilpflanzengarten ist das so: Hier grünt es, von einigen wenigen schmalen Wegen abgesehen, überall. Somit ist das Bodenleben auch im Winter geschützt vor UV-Strahlung, großen Temperaturschwankungen oder anderen extremen Wetterereignissen.
Gewirtschaftet wird im Fruchtwechsel. Das heißt, die Pflanzen wechseln Jahr für Jahr oder bei mehrjährigen Stauden alle zwei bis drei Jahre ihren Standort. Wo sich im einen Jahr die meterhohen Fingerhutpflanzen in die Höhe strecken, gedeiht im Folgejahr möglicherweise Ackerschachtelhalm oder Tausendgüldenkraut. Da die verschiedenen Pflanzen unterschiedliche und unterschiedlich viele Nährstoffe benötigen, verbessert bereits eine solche wechselnde Bepflanzung die Bodengesundheit. Dr. Sprenger: „In den Zeiten dazwischen säen wir Gründüngung ein, zum Beispiel ökologische Saatmischungen mit Leguminosen wie Klee, Luzerne oder anderen Blütenpflanzen und Gräsern. Die heimischen Hülsenfrüchte machen den Boden lebendig und versorgen ihn mit Stickstoff, einem Hauptnährstoff der Pflanzen.“ Diese Stickstoffanreicherung geschieht in einer einzigartigen Symbiose zwischen den Leguminosen und sogenannten Knöllchenbakterien. Die Mikroorganismen, die in kleinen Knöllchen an den Wurzeln der Pflanzen leben, binden den molekularen Stickstoff aus der Luft und verwandeln ihn in jene höheren Stickstoffverbindungen, die Pflanzen als Nährstoff dienen. Im Gegenzug werden die Bakterien von den Pflanzen mit Wasser und Zucker versorgt. Ein Teil des von den Bakterien eingefangenen Stickstoffs gelangt in den Boden und steht damit auch anderen Pflanzen zur Verfügung.
„Die Gründüngungspflanzen sind aber noch aus anderen Gründen wichtig für uns“, erläutert die Biologin weiter. „Sie beschatten den Boden und tragen zur Artenvielfalt bei, halten Nährstoffe in den oberen Bodenschichten und durchwurzeln die Erde meterweit in die Tiefe. Und nach dem Mähen werden sie in den Boden eingearbeitet oder kommen dann auf unseren Kompost und verwandeln sich dort mit der Zeit in einen wertvollen natürlichen Dünger und zu neuem, hochwertigen Boden.“

Ein lebendiger Kreislauf

Im Weleda Garten steht die Biodiversität des Bodens und seine Lebendigkeit im Mittelpunkt der Maßnahmen. Gut ist ein Boden dann, wenn er alle seine Funktionen wahrnehmen kann: Wasser, Nährstoffe und Kohlenstoff speichern und den Pflanzen alles liefern, was sie zum Leben benötigen. Das Herz der biodynamischen Kreislaufwirtschaft ist deshalb der Kompost, der auch als „Grünes Gold“ bezeichnet wird. Er ist ein natürlicher, langsam wirkender Dünger und gleichzeitig das Ausgangsmaterial für neuen, nährstoffreichen Boden.
Kompost entsteht, wenn organisches Material aerob, also unter dem Einfluss von Sauerstoff, von Bodenlebewesen abgebaut wird. Im heimischen Garten verrotten Küchen- und Gartenabfälle meist in speziellen Kompostern – auf dem Weleda Gelände in großen, meterlangen Komposthaufen. Dr. Sprenger: „Hierher kommen alle Pressrückstände oder Reste aus unseren Pflanzenpressungen. Sie werden in bestimmten Mischungsverhältnissen mit Grüngutabfällen, Holz und Kuhmist vermischt.“
Mikroorganismen fangen dann an, das Ausgangsmaterial zu Kompost zu zersetzen. Dieser Prozess, der ungefähr ein Jahr dauert, wird Humifizierung, also Humusbildung, genannt. Daran beteiligt sind neben den unzähligen Mikroorganismen auch Regenwürmer. „Allerdings fühlen sich die Regenwürmer nur in kleinteiligem, also bereits weitgehend zersetztem Material wohl.“ Nicht nur im Komposthaufen, sondern auch im Boden sind Regenwürmer beliebte und fleißige Helfer. „Die Regenwürmer ziehen Blätter oder Pflanzenreste in ihre Gänge“, sagt Dr. Astrid Sprenger. Sie fressen organisches und mineralisches Material, verdauen es und scheiden die Überreste in Form eines nährstoffreichen Ton-Humus-Komplexes aus, der das Bodengefüge stabilisiert und die Nährstoffe für die Pflanzen besonders gut speichern kann. Zudem graben die Würmer auf der Suche nach Nahrung viele Meter lange Röhren, lockern und durchmischen dabei den Boden und verbessern mit ihren Ausscheidungen dessen Qualität. Das hat übrigens bereits der englische Naturforscher Charles Darwin (1809–1882) erkannt. 1881 schrieb er in seinem Werk „Die Bildung der Ackererde durch die Tätigkeit der Würmer“: „Man kann wohl bezweifeln, ob es noch viele andere Tiere gibt, welche eine so bedeutende Rolle in der Geschichte der Erde gespielt haben, wie diese niedrig organisierten Geschöpfe.“  

Die Gesundheit der Böden ist bedroht

Wie wichtig ein gesunder Boden für den Kreislauf des Lebens und damit für unser aller Überleben ist, ist allerdings vielen Menschen nicht bewusst. Ein guter Boden ist nämlich nicht nur ein lebendes, atmendes Ökosystem, das die Pflanzen und damit auch die Tiere und Menschen ernährt. Er ist nach den Ozeanen auch der zweitgrößte Kohlenstoffspeicher der Erde und dadurch unverzichtbar für den Klimaschutz. Dennoch sind bereits heute 33 Prozent unserer Böden degradiert.
Ein Grund ist die auf Leistung getrimmte konventionelle Landwirtschaft. Sie laugt die Böden immer weiter aus, wodurch ihr Humus- und Nährstoff­gehalt stetig abnimmt. Zudem fördert sie beispielsweise durch das häufige Befahren mit Traktoren beim Spritzen und Düngen die Bodenverdichtung und damit auch die Bodenerosion. Dies gefährdet letztlich die Lebensmittelsicherheit, die Biodiversität und die Abmilderung des Klimawandels. Um für diese Problematik zu sensibilisieren, hat Weleda die globale Kampagne „Schütze die Haut der Erde“ ins Leben gerufen. Allein 2022 stellte das Unternehmen 400 000 Euro für bodenbezogene Projekte zur Verfügung, um gemeinsam mit Bodenexperten gegen die weltweite Bodenkrise aktiv zu werden.
Aber auch im Kleinen kann jeder und jede Einzelne viel dazu beitragen, das Ökosystem Boden zu stärken und zu schützen. Wer bevorzugt Bio-Lebensmittel einkauft und bei der Auswahl von Arzneimitteln, Tees und Nahrungsergänzungen darauf achtet, dass die Ausgangsstoffe nach den Prinzipien der ökologischen oder der biologisch-dynamischen Landwirtschaft angebaut wurden, hat schon viel dafür getan. Aktiv die Bodenqualität verbessern kann auch, wer Grünabfälle aus dem Garten oder vom Balkon selbst kompostiert und seine Pflanzen mit diesem natürlichem Dünger pflegt.

Ein Beitrag aus unserem Magazin natürlich gesund und munter 05/2024

 

Fotos: Beate Troyer