Lockern Sie Ihre Stressmuskeln
Sind Ihre Schultern häufig verspannt? Leiden Sie unter einem steifen Nacken? Seelische Belastung könnte die Ursache sein. Mit dem Wissen, was dahintersteckt, und wirksamen Gegenmaßnahmen werden Sie die quälenden Schmerzen los. Wir erklären, was sie tun können.
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Kaum ein Tag vergeht, an dem wir nicht unter enormem Druck stehen. Sei es die Angst, den unzähligen Erwartungen im Job und im Privaten nicht gerecht zu werden, seien es finanzielle Sorgen, Gesundheitsprobleme oder andauernde Konflikte, auf stressige Situationen reagiert der Körper zuallererst mit Verspannungen in der Schulter-Nacken-Region. „Jede Sorge, jedes Problem, das wir als Belastung wahrnehmen, setzt sich zuerst dort in den Muskeln fest“, erklärt die Sport- und Gymnastiklehrerin Heike Höfler. Kein anderer Bereich sei so eng mit unserem Befinden und unserer Stimmung verbunden.
Besonders sensibel ist dabei das Genickgelenk. Forscher fanden in der Region um den Atlaswirbel, in der sich die kurzen, tiefen Nackenmuskeln befinden, eine hundertmal größere Dichte an Nervenrezeptoren als in jedem anderen Muskel. Aber auch Kopfwender, Trapezius oder Schulterblattheber zählen zu den Stressmuskeln.
Je öfter wir in stressige Situationen geraten, desto mehr verkürzt und verkrampft sich diese Muskulatur. Ein regelrechter Teufelskreis wird dann in Gang gesetzt: Früher oder später signalisieren die Muskeln dem Gehirn nämlich ununterbrochen Gefahr in Verzug, obwohl das gar nicht der Fall ist. Die Folge: die Anspannung wird nochmals erhöht. Die Muskeln werden immer schlechter durchblutet, die Schmerzen nehmen zu und können sich auch auf den Hinterkopf oder den gesamten Schulter-Arm-Bereich ausdehnen. Irgendwann können sie sogar chronisch werden.
Mit Bewegung lösen Sie die Anspannung
Da das Gehirn Stress nicht von seinem Anlass unterscheiden kann, wertet es Konfliktsituationen, andauernde Belastungen, negative Gefühle und Gedanken als ebenso bedrohlich wie den Anblick eines Raubtieres oder eine andere reale Gefahr. In Bruchteilen von Sekunden werden Stresshormone ausgeschüttet, und die Spannung der Nacken- und Schultermuskeln wird blitzschnell verstärkt. Um den empfindlichen Hals vor Angriffen zu schützen, ziehen wir die Schultern bis zu den Ohren hoch. Eine Reaktion, die schon der Steinzeitmensch zeigte. Dieser allerdings reagierte bei Gefahr mit Flucht oder kämpfte, wenn es dafür zu spät war, mit dem Feind. Dabei löste sich die aufgebaute Anspannung in der Muskulatur wieder. Heutzutage hingegen verharren die allermeisten flachatmend in ihrer Position, etwa am Schreibtisch oder am Konferenztisch.
Sobald Sie spüren, dass Sie gestresst sind, nutzen Sie die nächste Pause für einen zügigen Spaziergang – mit leicht geneigtem Oberkörper und kräftig vor und zurück pendelnden Armen. Auch gut, um Anspannungen im Nacken-Schulter-Bereich abzubauen: Kräftigen Sie einmal kurz die dort oft zu schwache Muskulatur. Dafür eignen sich umgekehrte Yoga-Stellungen wie der heraufschauende Hund und die Kobra oder auch ein Liegestütz an der Wand. Solche Übungen kräftigen die Schultermuskeln, lösen Verkrampfungen im Nu und verhindern, dass sich die Muskulatur verhärtet.
Mit Achtsamkeit beugen Sie Verkrampfungen vor
Doch auch wenn Ihre Schulter-Nacken-Partie bereits hart ist wie Stein, können Sie einiges tun, um die Verspannungen in der Schulter und Nackenmuskulatur zu lösen und das Genickgelenk wieder zu mobilisieren. Voraussetzung ist, dass Sie sich bewusst machen, wann Sie den Nacken anspannen oder die Schultern hochziehen. Egal, ob Sie am Schreibtisch oder am PC sitzen, auf das Handy schauen, telefonieren, stehen oder gehen – überprüfen Sie zwischendurch immer wieder Ihre Haltung. Dafür ist es gerade anfangs wichtig, die Aufmerksamkeit speziell auf die sensible Nackenpartie zu lenken. Das gelingt, indem Sie sich selbst fragen: Sind meine Schulterblätter locker nach unten und in die Breite gezogen? Fallen die Schultern nicht zu weit nach vorn und sind sie gleich hoch? Ruht der Kopf mittig, also lotgerecht, auf der Halswirbelsäule oder ist er seitlich oder nach vorn verschoben? Je mehr Sie Ihr Körperbewusstsein schulen, desto eher können Sie wahrnehmen, ob Sie gerade eine schulter- und nackenfeindliche oder -freundliche Haltung einnehmen. Denn nur, wer seine Anspannung spürt, hat die Chance, seinen Körper neu auszubalancieren und möglichst schnell für Entspannung zu sorgen.
Emotionale Muster erkennen
Schmerzen und Verspannungen im Nacken und in den Schultern sind häufig ein Warnsignal der Seele. Deshalb ist es wichtig, die genaue emotionale Ursache zu ergründen. Haben Sie vielleicht das Gefühl, eine zu große psychische Last, zu viel Verantwortung zu tragen, oder sitzt Ihnen förmlich die Angst im Nacken? Auch unterdrückte Gefühle und ungelöste Konflikte, speziell mit dem Vater, können muskuläre Verspannungen auslösen. Solche Menschen sind zu aktiv, arbeiten mehr, als ihnen guttut, und gönnen sich im Alltag zu wenig Ruhe. Perfektionsstreben und Kontrollwahn erhöhen ebenfalls die Anspannung im Nackenbereich. Wer regelmäßig meditiert oder eine Entspannungsmethode wie die Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson praktiziert, schaltet besser ab.
Mit bildlichen Vorstellungen finden Sie eine neue Balance
Eine Haltung zum Positiven zu verändern, ist allerdings einfacher gesagt als getan. Und der gutgemeinte Rat „Entspanne doch mal deine Schultern“, hilft meist nicht weiter. Heike Höfler erklärt in ihrem Buch „Nacken und Schultern entspannen“ (Trias Verlag), wer über viele Monate oder gar Jahre hinweg seine Schultern verkrampfe, habe vergessen, wie sich entspannte Schultern anfühlen. Bildliche Vorstellungen, sogenannte Gedankenbilder, helfen dabei, neue Bewegungsmuster intuitiv zu erfassen. Sie sprechen das limbische System an, einen der ältesten Teile unseres Gehirns. Nicht ohne Grund werden sowohl im Yoga als auch bei Pilates Übungen mit solchen Bildern erklärt.
>> Um in den rechten Stand zu finden, können Sie sich beispielsweise vorstellen, dass Sie sich wie eine Sonnenblume gen Himmel recken. Spüren Sie, wie ihre Füße tiefe Wurzeln in den Boden schlagen und Ihr Kopf als Blüte Richtung Himmel wächst.
>> Alltagslast werfen Sie ab, indem Sie die Schultern einmal tüchtig „seufzen lassen“: Ziehen Sie zuerst die Schultern nach oben und nehmen die Anspannung wahr. Mit dem Ausatmen lassen Sie die Schultern dann tief nach unten sinken. Anschließend ziehen Sie die Schultern abermals hoch und lassen sie mit einem tiefen lauten Stoßseufzer herabfallen. Die Spannung in den Schultern beginnt sich zu lösen. Bei der dritten Wiederholung lassen Sie die Schultern noch tiefer sinken. Stellen Sie sich vor, dass alle Sorgen und Lasten von
Ihnen abfallen.
Lesen Sie den vollständigen Beitrag in Ausgabe 4/2022 von natürlich gesund und munter.
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