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Schätze aus dem Bienenstock

Darios/AdobeStock.com

Ob süßer Honig und duftendes Wachs, ob Gelée Royal, ­nahrhafte ­Blütenpollen oder das Kittharz Propolis – praktisch alles, was Bienen erzeugen, können wir für unsere Gesunderhaltung nutzen.

Die Höhlenmalerei in den Cuevas de la Araña in Spanien ist uralt. Archäologen datieren sie auf einen Zeitraum zwischen 10 000 und 6000 v. Chr. Sie zeigt eine Honigsammlerin, wie sie Waben wilder Bienen aus einem Loch in einer Felswand entnimmt. Die Menschen der Steinzeit schätzten vermutlich vor allem die energiereiche Süße des klebrigen Honigs, möglicherweise erkannten sie aber auch bereits seine Heilkraft. Aus dem alten Ägypten und der Antike ist die Nutzung von Honig als Heilmittel jedenfalls belegt. So verordnete der Arzt Hippokrates (466–377 v. Chr.) Honig bei Fieber, Verletzungen, Geschwüren und eiternden Wunden. Im alten Rom galt die süße Substanz gar als ein Allheilmittel. „Iss Honig, und du bleibst gesund“, lautete ein Leitsatz der römischen Ärzte.

Was die emsigen Insekten erschaffen, wird auch in Mythos und Religion gewürdigt. Ohne Bienen kein Leben – das wusste man bereits zur Zeit der Pharaonen. Der Sage nach entstanden sie nämlich aus den Tränen des Sonnengotts Re. „Als diese zur Erde flossen, verwandelten sich die Tränen in Bienen“, heißt es in einer ägyptischen Legende aus dem 4. Jahrhundert v. Chr. „Durch das Werk der Bienen entstanden Blumen und Bäume. Das ist der Ursprung des Wachses und des Honigs.“ Die große Bedeutung der Bienen für die Pflanzenwelt war also bereits damals bekannt.

Heute weiß man, dass hierzulande 80 Prozent der Wild- und Nutzpflanzen – mehr als 2000 einheimische Arten – auf die Bestäubung von Bienen angewiesen sind. Im antiken Griechenland galten die Bienen als Boten der Götter, der Honig als Quelle der Weisheit, Beredsamkeit und Dichtkunst. Im Christentum verkörpert die Biene, die sich nur von Honig ernährt, den sie selbst sammelt, also ohne die Natur zu schädigen, den Gläubigen, der das Wort Gottes aufnimmt und weitergibt. Die Nutzung von Bienenwachskerzen im Gottesdienst war jahrhundertelang vorgeschrieben.

Vielfältige Inhaltsstoffe

„Honig, Gelée Royale, Propolis, Pollen, Wachs: im Bienenstock gibt es viele Schätze, die einzigartig sind in ihrer Zusammensetzung und in ihrer Wirksamkeit“, erklärt Dr. Annette Schroe­der. Sie leitet seit 2018 das Honig-Qualitätslabor an der Landesanstalt für Bienenkunde der Universität Hohenheim und gibt ihr Wissen um den Honig in Kursen und Büchern („Gesundes aus Honig, Pollen, Propolis“, Ulmer Verlag) weiter. „Es gibt zwei Arten von Bienenprodukten“ erläutert die Lebensmitteltechnologin weiter. Die einen produziere die Biene direkt in ihren Drüsen, wie zum Beispiel ­Bienenwachs, Bienengift und Gelée Royal. Bei den anderen werden Rohstoffe aus der Natur gesammelt und von den Bienen mit Hilfe von Drüsensekreten veredelt. Dazu zählen Honig, Blütenpollen und Propolis.

Was sammeln Bienen?

Nektar
Zuckrige, wässrige Flüssigkeit, die von Pflanzen aus den Nektarien (Honigdrüsen) produziert wird. Die Zusammensetzung unterscheidet sich je nach Pflanzenart und Umweltbedingungen wie Boden, Temperatur, Licht, Wasser.

Honigtau
Ausscheidungen von an Pflanzen saugenden Insekten. Blattläuse & Co. stechen Blätter oder Stiele der Pflanze an, um an deren Nährsaft zu kommen. Nach dem Verstoffwechseln scheiden diese Insekten den überflüssigen Zucker aus. Er setzt sich als klebrig-süßer Honigtau auf den Blättern ab und wird von den Bienen eingesammelt.

Blütenpollen
Männliche Keimzellen von Blühpflanzen. Bienen nehmen den feinen Blütenstaub beim Blütenbesuch auf, vermengen ihn mit Speichel und transportieren ihn in sogenannten „Pollenhöschen“ an den Hinterbeinen zum Bienenstock. Blütenpollen sind die Eiweißquelle der Bienen und dienen den jungen Ammenbienen
als Nahrung, zur Bildung der Futtersäfte und zur Aufzucht der Brut.

Propolis
Harz von Pflanzen und Bäumen. Es wird von den Bienen mit körpereigenen Sekreten, Pollen und Wachsen vermischt. Dadurch entsteht eine harzige Substanz, die Wasser abweist, Fäulnis verhindert und Wärme isoliert. Zudem ist sie antibakteriell, antiviral und pilzhemmend.

Ein bewährtes Hausmittel macht Karriere

„Als ich zehn Jahre alt war, schenkte mir mein Vater einen Bienenstock, und dieser Stock freute mich mehr, als wenn ich einen Bauernhof bekommen hätte. Jede freie Minute saß ich bei meinen Bienen. Ich habe den Honig vielfach verwendet und stets gefunden, dass er von vorzüglicher Wirkung ist. Er wirkt lösend, reinigend, stärkend“, erinnert sich Sebastian Kneipp in seiner Autobiografie. Als Junge schätzte er sicherlich vor allem die Süße des Honigs, später behandelte der als Wasserdoktor von Bad Wörishofen bekannte Pfarrer seine Fieberpatienten mit Honigwein und Honigessig.

In der Volksheilkunde waren und sind Produkte aus dem Bienenstock bei der Behandlung vieler Beschwerden allgegenwärtig: Honigumschläge bei kleineren Verletzungen und Prellungen, Propolistinktur bei Aphten im Mund und bei Herpes. Bienenwachswickel sorgen bei Bronchitis, Erkältung, Blasenentzündung und Verspannungen für wohlige Wärme, Sirup aus Honig und Zwiebeln lindert Husten, eine warme Honigmilch ist eine bewährte Einschlafhilfe und ein großer Löffel Honig die leckerste „Erste Hilfe“ bei jedem Kratzen im Hals (einige Hausmittel mit Honig finden Sie im Kasten auf Seite 30). Eine Gefahr für die Zahngesundheit sei das nicht, so Dr. Schroe­der: „Es wurde nachgewiesen, dass Honig die Bildung von Karies nicht fördert, sondern dass er im Gegenteil das Karies bildende Bakterium Streptococcus mutans hemmt und eine Plaquebildung verhindert.“

Inzwischen weiß man: Honig wirkt besser gegen Bakterien als Antibiotika, und das, ohne dass dagegen Resistenzen gebildet würden. Seine wundheilende Wirkung ist von der Forschung belegt. Der Honig verhindert, dass sich Bakterien an das Gewebe heften und einen Biofilm bilden. Wichtig ist dabei, den Verband täglich zu wechseln, weil der Honig Wasser aus der Wunde aufnimmt und sich dadurch die antibakterielle Wirkung verringert. „Im Prinzip kann jeder Honig bei Wunden verwendet werden,“ erklärt Dr. Schroeder. „Als offizielles Arzneimittel braucht er aber eine arzneimittelrechtliche Zulassung, und das hat bisher nur der Manukahonig aus Neuseeland geschafft.“ Dieser Honig, für den die Bienen den Nektar der Blüten des Manuka­strauchs sammeln, enthält zudem Methylglyoxal, ein Nebenprodukt aus dem Zuckerstoffwechsel, das eine besonders hohe antioxidative Wirkung haben soll. Medi-Honey ist Honig, der mit Gamma-Strahlen behandelt wurde, um Keime abzutöten. Dieser medizinische Honig, den es auch in Apotheken zu kaufen gibt, ist inzwischen in vielen Krankenhäusern Teil des Wundmanagements und hilft sogar bei Wunden, die mit multiresistenten MRSA-Keimen infiziert sind.

Text: Georgia van Uffelen
Fachliche Beratung: Dr. Annette Schroeder

Lesen Sie mehr über wirkungsvolle Hausmittel und verschiedene Honigsorten in Ausgabe 06/21 von natürlich gesund und munter.